Ein Leben mit Dystonie
(W. H., 61 Jahre, männlich)
Angefangen hat alles ca. 1995. Als leidenschaftlicher Sportler „Squash“ wunderte ich mich, dass ich beim Aufschlag meines Gegners immer mehr Mühe hatte, zu ihm herüber zu sehen - vor allem, wenn er links von mir stand. Da eine Grundnervosität bei mir immer vorhanden war, ignorierte ich die leicht Kopfdrehung nach rechts zunächst.
Da es jedoch nicht besser wurde, sprach ich mit verschiedensten Leuten darüber u.a. Physiotherapeuten und Ärzten, die am Anfang aber meist ratlos mit den Schultern zuckten.
So um 1996 stellte mein Hausarzt die richtige Diagnose: Zervikale Dystonie.
Daraufhin suchte ich einen Neurologen in der Nachbarstadt auf, der bei mir mit Akupunktur-Sitzungen begann. Während der Sitzungen konnte ich gut entspannen, aber danach war wieder alles wie vorher.
Im Jahr 2000 begann dann die Behandlung mit regelmäßigen Botolinumtoxin-Injektionen an der Universitätsklinik Düsseldorf, später dann, zur Minimierung der langen Anfahrt, in einer Klinik in Duisburg.
Nicht nur, dass die Botulinumtoxin-Behandlungen eine Quälerei waren, sie halfen auch nicht wirklich und mein Schiefhals nahm immer weiter zu, so dass die Lebensqualität immer mehr abnahm. Mein Kopf hatte einen "Dauerzug" nach rechts.
Meinen Arbeitsplatz habe ich in all den Jahren nicht aufgegeben und bin unter schwierigsten Umständen zu meiner Arbeitsstätte gelangt (Kopf mit Zuhilfenahme einer Hand gerade gehalten). Am Arbeitsplatz traten durch mein sehr eingeschränktes Gesichtsfeld natürlich auch sehr oft gefährliche Situationen auf u.a. dadurch, dass ich vieles gar nicht oder viel zu spät sah (z.B. Gabelstapler oder nur einfach herumstehende Begrenzungspfosten).
In diesen Jahren hatte ich an einer 5-wöchigen Rehabilitationsbehandlung teilgenommen, die mir aber kaum geholfen hatte.
Im Jahr 2007 hörte ich durch Zufall von einer Nachbarin, dass diese jemanden kenne, der die gleiche Krankheit habe wie ich und mittlerweile an einer Tiefen Hirnstimulationsstudie an der Universitätsklinik Kiel teilnehme - und das mit sehr großem Erfolg.
Gehört hatte ich davon, aber in der Vergangenheit kam für mich eine OP am Kopf nicht in Frage. Da meine Lebensqualität aber so im Keller war, entschloss ich mich mit der Studienteilnehmerin zu sprechen und machte parallel einen Termin in Kiel aus. Das Gespräch und die einwöchigen Untersuchungen in Kiel stimmten mich positiv und nach einer von mir gewünschten Bedenkzeit folgte dann im Oktober 2007 die OP.
Alles verlief gut und ich war glücklich - nach einem halben Jahr und anschließender regelmäßiger Optimierung kann ich sagen: "alles richtig gemacht", denn die Lebensqualität ist zurück und bei mir hat die Tiefe Hirnstimulationstherapie eine Verringerung oder Unterdrückung der Symptome um ca. 80 Prozent ergeben.
Mittlerweile lebe ich seit Mai 2012 damit. Zwischenzeitlich habe ich zwei stationäre Kuren gemacht, die mir unterstützend auch sehr geholfen haben, vor allem da mein Körperbau durch den jahrelangen Schiefstand schon sehr gelitten hatte.
Die Forschung geht, glaube ich, in die richtige Richtung - vielleicht findet man ja mal den Auslöser der Dystonie.