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Primäre Dystonie

TP9 Team

SP9: Genetische Fingerabdrücke oszillatorischer Netzwerkaktivität bei Patienten mit Dystonie

Projektleitung: Andrea Kühn

Während pathologische Untersuchungen bei der Dystonie auf Veränderungen im sensomotorischen System des Kortex, Hirnstamm und der Basalganglien hinweisen, fehlt zum aktuellen Zeitpunkt immer noch ein umfassendes pathophysiologisches Konzept der Erkrankung. Auf Ebene der Basalganglien finden sich zunehmend Hinweise auf krankheitsspezifische Nervenaktivität in Form von synchronisierten tieffrequenten (4-12 Hz) Oszillationen.

Aktuelle Studienergebnisse deuten darauf hin, dass die Kortex – Basalganglienschleife, sowie cerebello-thalamo-kortikale Netzwerke in der Dystonie Veränderungen aufweisen. Die Neuromodulation mittels tiefer Hirnstimulation (THS) im Globus pallidus internus (GPi) zeigt therapeutisch gute Effekte bei Patienten mit primärer Dystonie. Der genaue Wirkmechanismus ist jedoch noch nicht vollständig verstanden. Eine Hypothese proklamiert eine mögliche Interferenz der GPi THS mit prävalenter oszillatorischer Aktivität in den Kortex-Basalganglien Schleifen. So könnte die THS eine Modulation der kortiko-subkortikalen oszillatorischen Konnektivität bewirken.

Ziel unserer Studie ist die Charakterisierung der komplexen Wechselwirkungen von oszillatorischen Konnektivitätsveränderungen der implizierten kortiko-pallidalen Nervenzellpopulationen zur konsekutiven Entstehung dystoner Muskelaktivität.

Die Anwendung modernster Methoden, wie multimodalen elektrophysiologischen Messungen durch die zeitgleich kombinierte Ableitung lokaler Feldpotentiale (LFP) von THS-Elektroden mit der Elektromyographie (EMG) dystoner Muskulatur und der Ganzkopf - Magnetoenzephalographie (MEG), ermöglicht die Erforschung pathophysiologischer Mechanismen im menschlichen sensomotorischen System. Genetische Fingerabdrücke und die Translation struktureller zu funktioneller Konnektivität von nicht-manifestierenden und manifestierenden DYT1 und DYT6 Genträgern sollen durch eine Kombination aus traktographischen bildgebenden Verfahren (DTI) und physiologischen EMG-MEG Untersuchungen erforscht werden.

Dieser innovative Ansatz verspricht einen umfassenden Erkenntnisgewinn zur Pathophysiologie genetisch determinierter Subtypen der Dystonie. Distinkte neuronale Aktivitätsmuster könnten so neue Wege zur Optimierung der Patientenselektion für die THS eröffnen und potentielle THS-Zielgebiete für nicht-invasive Neurostimulationverfahren zur Behandlung der Dystonie hervorbringen.

Arbeitspakete und Meilensteine

1. Simultane MEG-EMG-LFP Ruheableitungen bei Patienten mit Dystonie

Um die sogenannte „resting state“ Aktivität oszillatorischer Netzwerke in Abhängigkeit des dystonen Phäno- und Genotyps zu charakterisieren, sollen 20 Patienten in den ersten 18 Monaten der Antragsphase rekrutiert werden.

Alle Ableitungen werden nach der neurochirurgischen Implantation der THS-Elektroden durchgeführt, welche in einem kurzen postoperativen Intervall noch externalisiert und damit für Messungen zugänglich sind. Ruheableitungen mit paralleler Messung von LFP, EMG und MEG werden mit geöffneten Augen in je zwei Blöcken von 5 Minuten Länge durchgeführt. Wenn die MEG Messung durch die klinische Symptomausprägung nicht möglich sein sollte, wird diese durch eine hochauflösende elektroenzephalographische (EEG) Messung ersetzt.

Zum Vergleich von distinkten genetisch-physiologischen Fingerabdrücken wird bei allen Patienten eine Genotypisierung durchgeführt.

2. Modulation von Kortex – Basalganglien Aktivität durch Bewegung

Eine veränderte und partiell fehlerhafte motorische Kontrolle charakterisiert das Erkrankungsbild der Dystonie. Um ein tieferes Verständnis zu Physiologie und Pathophysiologie willkürlicher und unwillkürlicher motorischer Aktivität zu erlangen, soll die Modulation von Netzwerkaktivität in Kortex – Basalganglien Schleifen, während dystoner und willkürlich initiierter Muskelaktivität, untersucht werden.

Je zwei Messdurchgänge willkürlicher Bewegungen sind hierfür nach der initialen Ruhemessung bei den unter (1.) aufgeführten Patienten geplant. Um eine ausreichend gute Signalqualität zu erreichen, sollen die Patienten mit der rechten und linken Hand, je 50 einfache unidirektionale Joystickbewegungen durchführen. Sie werden dabei nicht durch externe Signale angeleitet, sondern dazu aufgefordert diese Bewegungen in von Ihnen selbst willkürlich ermessenen Abständen von ca. 10 Sekunden durchzuführen.

Dies erlaubt die Untersuchung von oszillatorischen Netzwerkveränderungen während der Bewegungsplanung und der Bewegungsausführung.

3. Kortiko – kortikale Netzwerkaktivität in manifestierenden und nicht – manifestierenden Dystonie Genträgern

Für diese Studie sollen 55 Patienten mit Hilfe aller PIs und der Patientendatenbank des Konsortiums rekrutiert werden. Ziel ist es die Brücke von strukturellen zu funktionellen Netzwerkveränderungen zu schlagen, was mittels einer Kombination aus Fasertraktographie (DTI), funktioneller Magnetresonanztomographie (fMRT) und Magnetoenzephalographie (MEG) erreicht werden soll.

Dafür planen wir je 10-15 manifestierende und nicht – manifestierende DYT1 Genträger, sowie 10 – 15 DYT6 Genträger und 15 alters- und geschlechts- gepaarte gesunde Kontrollen einzuschließen.

Nach Durchführung der strukturellen Bildgebung wird eine MEG Sitzung mit Ruhe und willkürmotorischen Aufgaben angeschlossen. In den manifestierenden Dystoniepatienten wird die dystone Muskelaktivität, mittels EMG zur Quellenlokalisation krankheitspezifischer kortikaler Netzwerke, abgeleitet. Spektrale Maße oszillatorischer Aktivität und kortiko-kortikaler Kohärenz werden im standardisierten dreidimensionalen Montreal Neurological Institute (MNI) Raum visualisiert. Dies ermöglicht den Vergleich distinkter Aktivitätsmuster in Abhängigkeit von Genotyp und Phänotyp. In den so definierten pathophysiologisch implizierten Hirnarealen können dann Korrelate der zugrundeliegenden strukturellen Veränderungen mithilfe der zuvor durchgeführten DTI/fMRT Bildgebung spezifiziert werden.

4. Netzwerke

Dieses Teilprojekt liefert extensive elektrophysiologische und strukturelle Details dystoniespezifischer neuronaler Aktivitäsmuster im Menschen und verspricht so einen umfassenden Erkenntnisgewinn über die pathophysiologisch relevanten zerebralen Netzwerke.

Durch die Durchführung der Genotypisierung und den Zugang zur kombinierten Datenbank genetisch getesteter manifestierender und nicht – manifesteriender Patienten und Probanden profitiert dieses Teilprojekt von dem Konsortium.

Die Modulation kortikaler Netzwerkaktivität wird in Teilprojekt 4 mittels transkranieller Magnetstimulation (TMS) in einem überlappenden Patientenkollektiv durchgeführt und steigert so die gemeinsame Aussagekraft des entwickelten pathophysiologischen Konzepts.